Zehn Fragen zu Windelfrei

Stilleben mit Toepfchen


 

 

Was ist denn das, Windelfrei?

Babys kommunizieren von Geburt an, wenn sie ausscheiden müssen. Sie tun das auf eine manchmal subtile Art, aber sie ist nicht viel schwerer verständlich, als wenn sie Dir zeigen, dass sie gestillt werden möchten. Manchmal jammern sie, bis man sie abhält, manchmal quietschen sie, sie grunzen, sie unterbrechen ihre Tätigkeit und werden unruhig und wenn sie dann mal mobil sind, bewegen sie sich auch gerne zum Ort des Geschehens. Irgendwann sagen sie Dir, dass sie pieseln müssen oder aber sie sind vorzugsweise selbständig und tun es einfach selbst. In concreto bedeutet „Windelfrei“, das Baby „abzuhalten“, wenn es Dir Bescheid gegeben hat, dass es „mal muss“ – über ein Gefäß, die Wiese oder was Dir beliebt – und zu warten, bis es fertig ist.

 

Warum sollte ich denn das tun, mein Baby abhalten?

Es macht unglaublich zufrieden, wenn man sein Baby bei der Ausscheidung unterstützen kann. Wenn sie ins Töpfchen, eine Rührschüssel oder an den nächsten Haselnussstrauch pieseln, oder ausscheiden, was es auszuscheiden gibt, dann sind sie froh – denn Babys wollen sich nicht beschmutzen. Und dann sind wir es auch.
Aber, heute soll alles einen „wissenschaftlichen“, verifizierbaren Vorteil bieten: den habe ich auch für Euch. Wenn ich zuverlässig auf die Bedürfnisse meines Babys eingehe, ist das Baby in der Lage, eine sichere Bindung zur Bezugsperson, gerne Mama und Papa, aufzubauen.
Und dann, so sehe ich das, führt dieses Verhalten der Eltern auch zu einem guten Selbstgefühl beim Kind; „Aha, ich bin es wert, dass man auf mich reagiert, meine Bedürfnisse sind wichtig. Ich bin wichtig!“

 

 

Aber man soll doch warten, bis das Kind von sich aus signalisiert, dass es bereit ist fürs Töpfchen?

Ja, das heißt es. Diese Empfehlung kann aber aus zweierlei Gründen entkräftet werden: Erstens signalisiert Dein Baby von Anfang an, dass es sich entleeren muss. Es ist also bereit. Nur werden Babys Signale in der Regel nicht gelesen. Man geht seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch von der Annahme aus, dass Kinder in der Regel bis zum Ende des zweiten Lebensjahres ihre Schließmuskel nicht kontrollieren könnten. Dieser Annahme stelle ich gerne kommentarlos Millionen von Babys anderer Kulturen sowie all die Babys entgegen, die ich seit einigen Jahren begleiten durfte und die von Tag eins an ihre Schließmuskeln kontrollieren. Sie tun es. Und es freut uns.

 

 

Aber! Ihr fangt das Pipi oder Kacka eben auf, aber Babys können es nicht zurückhalten!

Doch, doch, auch das ist sehr erstaunlich. Mein einstiges Baby hat mit zarten zwei Wochen bereits höchst-freiwillig und ziemlich erbost über die lange Warterei eine knappe halbe Stunde im Tragetuch ausgehalten, bis ich es herausnehmen konnte, weil… Tohuwabohu mit Schwester und Trallala. So bestätigt es auch die Arbeit mit den Famlien:  Im Tragetuch verzichten die Babys gerne auf ein Einnässen.
Es gibt auch eine Theorie dazu: In der stammesgeschichtlichen Entwicklung war es höchst unratsam, außerhalb des geschützten Heims auszuscheiden. Der Geruch hätte des Babys` Ende bedeuten können, weil Tiere Beute gewittert hätten. Babys wollen sich also nicht beschmutzen und im Tragetuch oder der Tragehilfe ist das, über die Fressgefahr hinaus, ziemlich unangenehm.

 

 

Wieso machen das Windelbabys aber dann, in der Tragehilfe die Windeln füllen?

Es gibt eine erste sensible Phase für Windelfrei, das sind in etwa die ersten drei, vier Lebensmonate. Wird in dieser Zeit niemals auf die Signale des Babys reagiert, finden sich Babys damit ab und nutzen fortan ihre Kleidung oder ihre Windeln als Ausscheidungsort, ohne sich zu beschweren. Beschweren: das tun sie in manchen Fällen nicht einmal mehr, nachdem sie ausgeschieden haben.

 

 

Und Windelfrei heißt also, stets OHNE Windel zu sein?

Nein, das heißt es nicht. Windelfrei heißt, ohne Windel zu sein, wenn man das gerne möchte und Windelfrei heißt, das Kind ist mit Windel, wenn man das gerne möchte. Das Kind heißt Kleopatra, wenn man das gerne möchte.
Es ist so: Es gibt Phasen, in denen klappt es wunderbar, ohne Windel zu sein. Das sind meist Phasen während der ersten 6 bis 7 Lebensmonate. Dann verpassen viele Eltern nur wenige Male an Piesel-Gelegenheiten und deshalb ist es äußerst bequem und praktisch für die Beteiligten, wenn die Windel ausgespart wird. Dann kommen meist Phasen, in denen legt der kleine Mensch seinen Schwerpunkt auf andere Tätigkeiten. Zum Beispiel auf sitzen lernen, kategorisieren, sprechen lernen, Müßiggang. Dann verpassen die Eltern viele solcher Gelegenheiten. Da das nicht schlimm ist, aber fünfzehn Mal am Tag umziehen irgendwie an die Substanz gehen kann, benutzt man dann vielleicht gerne eine Windel. Wir nennen das „Back-up“, weil es ein Sicherheitssystem ist. Wenn das Kind mag, wird es abgehalten, wenn nicht, na dann. Ich empfehle stets Stoff-Back-ups. Weil es eine gute Sache ist, Plastikmüllberge nicht weiter zu türmen, weil ich die Haut unserer Babies in Schutz nehmen möchte und weil es für die Windelfrei-Gespürigkeit von entscheidendem Vorteil ist. So ist das mit den Windeln bei Windelfrei.

 

 

Das klingt ja sehr interessant. Aber mir wäre das einfach viel zu aufwendig.

An dieser Stelle habe ich zu Beginn meiner Windelfrei-Tätigkeit ein wenig anders geantwortet, als ich es nun tue.
Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass Windelfrei zwar aufwendig ist, sich all der Aufwand den wir um unsere Kinder betreiben, aber nicht im luftleeren Raum hängen bleibt, sondern sich höchstwahrscheinlich auszahlen wird – und zwar vor allen Dingen in Form von starken Kindern mit einem gesunden Selbstgefühl. Wenn diese Kinder dann auch noch leichter Dinge für sich tun können, als sie es „sonst“ täten, dann werden wir auch als Eltern früher entlastet, als wir es sonst würden: Kind erledigt seine Toilettengänge selbständig, weiß über seine Bedürfnisse gut Bescheid, organisiert sich selbst – wir malen indes unsere eigenen Bilder, legen voll Wonne Wäsche zusammen, liegen entspannt herum oder tun, was Euch sonst auch immer mit Vorfreude erfüllt…

 

 

Dann ist Windelfrei also eine gute Sache für Eltern, die die ersten Jahre zu Hause bleiben können?

Nein! Windelfrei ist auch besonders dann eine gute Sache, wenn man gerade nicht die Möglichkeit hat, eine längere Zeit mit seinem Baby und später Kleinkind zu Hause zu bleiben. Windelfrei funktioniert gut auch mit Krippen- oder Tagesmutter-Babys und zwar auch dann, wenn die Einrichtungen Windelfrei mit Eurem Baby nicht praktizieren wollen. Gerade in solchen Situationen profitiert das Baby besonders von der liebevollen Aufmerksamkeit der Eltern in den gemeinsamen Zeiten.

 

 

Worin liegt jetzt das Glück bei den Zwergen?

Glück haben die Babys in erster Linie, weil sie eine Resonanz erhalten. Ihre Signale werden beachtet, sie werden wahrgenommen und verstanden.
Als Glück obenauf behält das Baby seinen gesunden Popo. Windeldermatitis tritt so gut wie nicht auf. Deinem Baby bleiben also einige heftige Schmerzen erspart. Auch Koliken werden vermindert. Die Babys plagen sich weniger mit ihrem Stuhlgang, als ihre gewickelten Zeitgenossen. In der Altenpflege gilt es als beinahe skandalös – wenn die Patienten in ihren schmutzigen Windeln liegen gelassen werden. Bei Babys sieht man das nicht so streng. Ich stelle mich an dieser Stelle einmal hinter die Kleinsten. Dann noch Glück für uns alle: wir produzieren weniger quasi unverrottbaren Müll und erhalten mehr sauberes Wasser und Ressourcen für alle, die da noch kommen mögen.

 

 

Und wie soll das jetzt genau funktionieren?

Weil wir fast alle nicht mehr windelfrei aufgewachsen sind, sondern die meisten schon Wegwerfwindeln um die Hüfte geschnallt hatten, fällt es uns oft schwer, frisch und frei ins Windelfrei-Vorhaben zu starten. Auch unsere Großeltern wissen oft nicht mehr, wie das alles funktionieren soll.
Ich kann in meinen Ausführungen auf Erfahrung mit zahlreichen Eltern und ihren windelfreien Babys zurück greifen, durfte auch in meiner persönlichen Windelfrei-Beziehuhng reifen  und habe mich überdies 2014 zum Babys-ohne-Windeln(BoW)-Coach zertifizieren lassen. Ich freue mich, Euch zu begleiten.